s
trug sich zu, daß einmal zur Almzeit eine Dirn beim Heu
machen in
der einsamen Almhütte ihres Bauern hausen mußte. Nun
der
Abend kam, sanken ihr die emsigen Hände müd in den
Schoß, und sie ruhte vom Tagwerk aus auf dem steinernen
Stuhl,
der neben der Hütte im Unkraut stand. über ihr
glühten
und glitzten die Almspitzen der scheidenden Sonne nach, gerade als
wäre die ganze Bergwand des Rosengartens ein goldenes
Gemäuer. Wie nun die Dirn den angezauberten Reichtum
betrachtete,
gedachte sie ihrer eigenen Armut, und daß sie mit ihrem
Burschen
niemals zu eigen Rauch und Schmauch kommen sollte. Da seufzte sie aus
Herzensgrund: "Ach Gott, seit uns die Kriegshorden alles
angeschürt haben, kommen wir nimmer auf einen goldenen Zweig!"
Derartig spann sich das Mädchen in kummervolle Gedanken ein.
Es
schreckte sie aber ein neuer Glanz aus ihrer Versunkenheit auf. Und wie
sie sich danach umwandte, zu sehen, woher ihr dies neue Leuchten
gekommen wäre, da stand vor ihr eine mächtige Frau,
reich und
schön und über die Maßen königlich.
"Komm", sagte die Herrin gütig zur Magd, und winkte sie heran.
Der
Dirn fuhr die Hand an das Mieder, den freudigen Schrecken zu
dämmen. Sie wischte die Tränenspur mit der
Schürze aus
ihren Augen und ging mit. So stiegen die beiden den glühenden
Rosengarten entlang, höher und höher, und dennoch
fühlte
sie all ihre müde Schwere entweichen im Anstieg. Denn der Ruf
war
wie eine Verheißung über sie gekommen und sie
entsann sich
aller Geschichten von guten und strengen Gespenstern im Berge, vom
König, der droben hausen soll, und seiner Gemahlin, der Herrin
vom
Rosengarten.
So tauchten sie ein in die Stille des Berges, die beide dunkel umfing.
Dann aber standen sie im Glanz prunkender Kammern und leuchtender
Säle. Silbergleich gleißten die Fliesen, und durch
die
kristallenen Fenster weideten ihre Augen in einem Garten voll roter
Rosen. Hier wallte auch ein silberner Brunnquell, darin man die
schönsten Mädchen baden sah. Saitenspiel und Gesang
erfüllten die Räume mit zauberhaftem Getön.
Im Vorüber trafen sie auf dienstbare Zwerge, die schleppten
sich
mit wunderviel zierlichen Dingen. Auch brachten sie auf
Geheiß
der Herrin ein Wolleknäuel herbei. Das überreichte
die
Königin dem armen Mädchen und sprach: "Du
magst das
Knäuel ruhig nehmen. Es ist von der besten Wolle, die ich
habe.
Und wenn du von ihrer Herkunft schweigst, so wird auch das Garn niemals
rar werden. Nun geh wacker zu, bleibe emsig und webe dein
Glück!"
Die also Begabte ist dann in aller Stille zu einer alten Base gezogen,
von dem Wundergarne zu weben, und wob und wirkte die feinsten Decken
und Tuche. Denn das Garn ging nicht aus und hat einen Glanz gegeben,
als wäre es von dem Goldenen Vließe geschoren.
Einmal, nach Feierabend, hat die Dirn noch so fleißig im
Mondschein am Webstuhl gesessen. Da ist die Herrin vom Rosengarten in
ihre Kammer getreten und hat ihr ein Goldgespinst zugetragen. Sie hat
ihre Hände in kunstvollen Wegen durch das Gewebe geleitet und
sie
gelehrt, mit goldenen Ranken und Vogelbildern den Wirkstoff zu zieren.
Mit diesen Kostbarkeiten ist dann ihr Bursche weit in die deutschen und
welschen Lande gezogen, die edlen Stoffe in Burgen und Städten
feilzubieten. über Jahr und Tag hatten die beiden Liebesleute
so
viel erwirkt, daß es zu eigen Rauch und Schmauch zugelangt
hat.
Und für das Zubrot und für ein
Rößlein im Stall
hat es auch noch gereicht.
Da war gut
Hochzeit halten! Und wenn die
Dirn fein
verschwiegen geblieben ist, so ist ihr Wunderknäuel
unerschöpflich geblieben, bis auf
den heutigen Tag.
|
Karl Paetow,
Die Herrin vom Rosengarten. In: Frau
Holle: Märchen und Sagen, S. 53 - 55
|