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habt nun gehört, was an seltsamen Dingen sich in den heiligen
Zwölften alles begab. Da schritt auch ein Bauer, die Axt auf
der Achsel, dem Hochwald zu. Und in den Bergen sangen die wilden
Vögel wie im Mai. Der Mann, der da
heimwärts stapfte, lauschte verwundert den lieblichen
Liedern und war zufrieden in seinem Gemüte, wenn er
den fleißigen Wintertag überdachte, den er
vollendet, und seinen Feierabend, dem er entgegenschritt. Denn
zuhause erwartete ihn schon sein junges Weib mit dem erstgeborenen
Knäblein. Und besaß er auch nur in seiner Armut
"zehn Morgen Wind hinterm Haus", wie der Nachbar im Spott sich
vermaß, so war es doch hell in seinem Gemüt, so hell
wie eben unter seinen Sohlen. Da glitzerte der kristallene Neuschnee
vom silbernen Mond. Als er so in den Wald
eintrat und nach
Hause dachte, stieß er
wie ungefähr mit dem
linken Fuß an eine knollige Wurzel, die unter dem
Schnee verborgen lag. Und alsbald erhob sich der Nachtwind aus
einer Schlucht. Der hob ihn auf wie mit Flügeln auf seinem
Pfad, blähte wie Segel des Wanderers Kleider und
entrückte ihn ganz. Nur mühsam vermochte der Mann
sich auf Weg und Wirklichkeit zu besinnen, denn der ganze Wald schien
im Wandel der Weihnacht. Alle Bäume hatten ein Licht
aufgesteckt, ein großes die großen, ein kleines die
kleinen und es leuchtete von all diesen Scheinen, als reihe sich Stern
zu Stern. Immer dichter wuchs das Holz im Entschweben, immer heller der
dämmernde Zauberschein, der den Mann so verwirrte. Und es
mutete ihn an, als wüchsen alle Bäume aus einer
gewaltigen Wurzel, und als wäre der ganze Wald nur ein
einziger mächtiger Baum.
Da schnob es heran wie mit Rossen des Sturmwinds, davor sich alle
Kronen beugten, und die wehenden Lichter wichen vor einem Wagen, den
aus der klingenden Feme zwei dampfende Schimmel zur Stelle brachten.
In dem zierlichen Wagenkasten saß eine weiße Frau,
die spann einen langen Faden, und ihre goldene Spindel tanzte weit
unten im Grund. Aber wie eine schwere Woge am Ufer aufsteigt und
stockt, so verhielten die Hufe plötzlich den donnernden Lauf,
und der Wagen stand.
"Du kommst mir daher wie geheißen!" beugte die Spinnerin sich
dem Bauern entgegen. "Nimm schnell dein Handbeil und verkeile mir
meinen Wagen. Aber gib acht, daß der Nagel aus bestem
Kernholz sei. Denn Himmel und Erde muß er in heißer
Nabe zusammenhalten. Und wenn er bricht, zerfällt die Welt.
Drum eile dich und richte gut. Am kleinsten Werk
hängt die Ordnung der
größten Dinge!''
Alsbald warf der Mann die Barte von seiner Schulter, kniete nieder und
betrachtete diesen Schaden. Der Keilbolzen am linken Rad war
zersplittert, das Rad in Gefahr auszuscheren. Dann blickte er auf zu
der vornehmen Spinnerin und sprach: "Wer schnell hilft, hilft doppelt!"
Ohne Zögern hieb er ein kerniges Bäumchen um, hieb es
zurecht, daß Spratten und Späne nur so flogen, und
fertigte einen kräftigen Keil daraus. Dann schlug er diesen
vor die Nabe und versplintete ihn mit aller Kunst. Zum Schluß
richtete er noch die Deichsel, ruckte das Pferdegeschirr zu
recht und schon rissen die Rosse an den goldenen Ketten, schnoben und
brausten dahin.
"Die
Späne nimm,
Dein Lohn steckt drin!"
hörte er die Wagenlenkerin noch rufen, dann war alles, Frau
und Wagen, in der dämmernden Lichtnacht dieses Zauberwaldes
versunken. Im saugenden Nachwind stäubten die Flocken
vom
Schnee.
Nachdenklich schlug der Mann seinen Kragen hoch und warf das Beil
wieder über. Dann trabte er heimwärts und achtete der
Späne, die da umherlagen, nicht mehr als der fliegenden
Flocken. Es verdroß ihn nur ein wenig, daß die
vornehme Frau nach so hohen Worten mit lumpigem Abfall bezahlen wollte.
Indem er dem Sinn der Begegnung noch nachhing, drückten ihn
seine Schuhe und es schmerzte ihn etwas Kantiges an den Fersen,
daß er sich schließlich auf einem Stubben
niederließ. Da saß er denn und zog sich die Schuhe
vom Fuß und stülpte sie um. Wie er sie wieder anzog,
so blinkerten zwei ansehnliche Häufchen von Spänen im
Schnee. Die gleißten im Mondlicht wie eitel Gold und wogen
gleich guten gediegenen Gulden. Da erkannte der Zimmermann an der
kostbaren Löhnung, daß es Frau Holles Wagen gewesen
war, den er verkeilt und gerichtet hatte.
Mit frohem Gemüt trat er dann in die Hütte zu Weib
und Kind und brachte mit sich die holde Mär von Frau Holles
Umfahrt und legte den kleinen Goldschatz der Hausmutter in den
Schoß. Den Bescheidenen hat es zu einem stillen Wohl
stand schon zugereicht, und was der Mann von nun ab in seine
Hände nahm, das wuchs und gedieh ihm zum Segen. So ward er
denn inne der Weisheit, daß Himmel und Erde hängen
am ehrlichen Tagwerk des Menschen.
Zu dieser nämlichen Zeit aber lebte im selben Dorfe ein junger
Fant. Der hatte von jener Begegnung gehört und von dem, was
der andere versäumte. Er dünkte sich aber neunmal
klüger, wie dies eben Narren so oft vermeinen, kreidete sich
den bewußten Tag im Kalender wohl an und schlenderte im
nächsten Jahr mit der Axt durch das nämliche
Waldstück. Und wieder fuhr Frau Holle daher mit ihrem
Gefährt. Sie beugte sich über die Brüstung
und fragte barsch den Unberufenen, zu welchen Geschäften er
komme. Dem schlackerten schon längst alle Glieder, und er
stotterte mühsam sein Sprüchlein vom Beil, vom
Wagenkeil und der goldenen Löhnung.
Zürnte Frau Holle: "Bin eben selbst mit Werkzeug versehen, und
meine Axt liegt griffbereit. Weil du aber aus Habsucht dein Beil
anbietest, sollst du auch durch das Beil deinen Lohn bekommen." Sprachs
und schlug ihm die Barte in seine Schulter, daß Brust und
Rückgrat zusammenklappten und hinten wie vorne ein
mächtiger Buckel den Wuchs zerbrach. Schon rissen die Rosse am
Geschirr, und Weib und Wagen verwehten im Dunst der Feme. Der
Bursche aber trug entsetzt seine Ungestalt als
Zeichen der Schuld nach Hause.
Als es dann nachmals auf Weihnachten ging und der Verwachsene
seine ungebührliche Habsucht ehrlich durchdacht und bereut
hatte, riet ihm der glücklichere Zimmermann, noch
einmal die Hilfe der zürnenden Frau mit lauterem Herzen zu
erbitten. So zog er denn wieder auf jenen besagten Abend dem Walde zu.
Da fuhr Frau Holle abermals vor, und wieder zügelte sie ihre
Rosse, neigte sich über und fragte nach seinen
Geschäften. Der Knecht wies ihr seine Ungestalt und klagte
sich ehrlich an, daß er durch Habgier und Aberwitz die edle
Frau vorjahrs beleidigt und aufgebracht hätte.
Da hob Frau Holle den Finger und lächelte: "Wisse, nicht mich
hast du damals beleidigt, sondern dich selbst. Ich besinne mich wohl.
Vor einem Jahr hieb ich an dieser Stelle mein Beil in einen gar groben
Klotz. Der Klotz ist geblieben, der Grobian ist geschieden. So will ich
das Beil denn dem Klotz entreißen."
Kaum gesagt, so stand der Knecht wieder glatt und schlank nach dem
Wuchs seiner jungen Gestalt im Wald der Frau Holle. Als er sich aber
des Glückes besann und seinen Dank sagen wollte, da war die
Erscheinung schon erloschen.
Und wenn
auch keine goldenen
Späne mehr für ihn abfallen wollten, so trug er doch
das schönste Geschenk mit
nach Hause, einen gesunden und
stracken Leib,
wie ihn Gott einst erschaffen und gewollt hatte.
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Karl Paetow,
Der Frauenwagen. In:Frau
Holle:
Märchen und Sagen, S. 91 -95
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