Die Morgengabe und
der Frau Hollen-Stuhl
Weiter geht der Weg von der Kalbe abwärts Richtung
Süden, wo auf der Hausener Hute, der Frau-Hollen-Stuhl
steht, ein
sesselartiger, zweiteiliger Basaltblock.
"Von diesem
Frau Hollen-Stuhl
erzählt man sich, dass Frau Holle dort an
schönen Sommertagen sitzt und ihre goldenen Haare
strählt. Außerdem gilt er als
krankheitsvertreibender Sitz. - Das Strählen der goldenen
Haare ist eine verbreitete, mythologische Metapher, die wir
beispielsweise auch bei der Loreley am Rhein und bei der Verena in der
Schweiz finden, beide gebrauchen dazu auch einen goldenen Kamm.
Frauenhaar hat nach uralter Auffassung erotische Anziehungskraft, das
Strählen des Haares ist deshalb eine erotische Aufforderung,
es zieht den Geliebten unwiderstehlich herbei.
Das
Gold des
Haares hat
dabei eine besondere Bedeutung: Diese Göttinnen sind
nicht deshalb goldhaarig, weil sie germanische Blondinen
wären, sondern es symbolisiert die Sonnenstrahlen. Die Sonne
wird mit dem Strählen des goldenen Haares
herbeigelockt, denn die sommerlich hochstehende Sonne
ist der mythologische Bräutigam der Erde zu der Zeit der
Sommersonnwende. So könnte der Frau Hollen-Stuhl ein
archaischer Sitz der Göttin in Gestalt einer Holle-Priesterin
gewesen sein, den sie einnahm, um mit ihrem Partner die
Zeremonie der Heiligen Hochzeit
(Fachwort: hieros
gamos) zu feiern. Die südlichen Himmelsrichtungen
sind in den matriarchalen Jahreszeitenfesten der magisch verstandenen
Heiligen Hochzeit zu geordnet, die im Sommer zwischen Himmel
und Erde gefeiert wurde.
Frau-Hollen-Stuhl
Foto:
Susanne
Jacob
Dafür
spricht die Beobachtung, dass
man vom Frau Hollen-Stuhl zur Zeit der
Sommersonnwende den
Sonnenaufgang betrachten kann, wobei die Sonne im Nordosten
über dem Weißner und über
der Morgengabe aufgeht.
Der
Name Morgengabe
ist in diesem Zusammenhang passend, denn er bezeichnet ein
Hochzeitsgeschenk, wobei hier eher die Göttin ihrem Geliebten
das Geschenk überreicht statt er ihr. Es könnte
bedeuten, dass sich, wenn die Sonne zur Sommersonnwende über
den Weißner steigt, die sommerliche Fülle
der Blumen und Kräuter ihrem Licht zuwendet und
öffnet, sich also der Sonne schenkt.
Wichtig ist im gegebenen Zusammenhang, dass Frau Holle auch als
Schützerin der Neuvermählten galt. Unterhalb dieses
Platzes lag ein kleiner See, der heute zu einem Moor geworden ist; aus
ihm entspringt das schwarze
Wasser. Auch dieses frühere Seelein
könnte als ein Schoß der Göttin verstanden
worden sein, der sich hier der Liebe öffnet und sich dem
Geliebten schenkt."
Heide
Göttner-Abendroth, Matriarchale Landschaftsmythologie, S. 67 /
68
Frau-Hollen-Stuhl
Foto:
Susanne
Jacob
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